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In vielen Werken der Mudam Sammlung spiegelt sich eine Geisteshaltung, die seit dem Schaf- fen Marcel Duchamps im zeitgenössischen Kunstgeschehen spürbar ist. Die Methoden des „Détournement”, d.h. der Umdeutung, und der Ironie verleihen der kritischen Haltung der Künstler die nötige Distanz und dienen ihnen als Filter für den spielerischen Teil ihrer erns- thaften Auseinandersetzungen.
Seit dem Beginn des vergangenen Jahrhunderts sind die Verfahren des Détournements, der Appropriation oder auch des Recyclings Methoden, die zahlreiche zeitgenössische Künstler mit sichtbarem Vergnügen anwenden. Allen voran ist da Marcel Duchamp zu nennen, der als eingefleischter Schachspieler die Kunst mit einem meisterlichen Zug in ein Patt getrieben hat, als er im Jahr 1917 ein mit R. Mutt signiertes Urinoir ausstellte. Und dann erst recht die Dada-Bewegung, deren Name nach dem Zufallsprinzip aus einem Wörterbuch genommen wurde und deren Kunst voller spielerischem Protest war gegen den vernunftgesteuerten Wahnsinn einer Gesellschaft, die tief durch den ersten Weltkrieg verunsichert war. Ob all diese Künstler mit ihrem mitunter zerstörerischen Humor sich nun unserer Gewohnheiten und Gewissheiten annehmen oder ob sie sich einfach für das Poetische im Alltag interessieren, sie lieben das Spiel und zögern nicht, die Spielregeln der Kunst und unserer Gesellschaft auseinander zu nehmen.
So war beispielsweise General Idea während der 80er Jahre eine für die Kunst der Subversion ganz typische Künstlergruppe, die sich über den Irrsinn der materialistischen Gesellschaft lustig machte, indem sie deren Markenikonen, Werbebilder und Pressezitate gegen sie verwandte. In dieser Hinsicht sind die Pasta Paintingsaussagekräftig, denn jeder erkennt sofort in ihnen die Logos der Kreditkartenfirmen Visa und Mastercard, die hier aus Nudeln zusammen gesetzt sind.
Ein typischer Zug der Kunst von Claude Closky ist die Verwendung von Technologie und Methodik aus dem Bereich der Medien, deren Leere er voller Ironie deutlich macht. So ist Guili-Guili eine schier endlose Serie von Zeichnungen, bei der der Künstler den ursprünglichen Sinn der aus Zeitschriften geschnittenen Seiten unterhöhlt. In harmlosen Sprechblasen liest man lautmalerische Worte oder Ausrufe von entwaffnender Komik: „Argh”, „Tagada” oder „Caramba” rufen die scheinheiligen Bewohner aus dieser Hochglanzwelt.
Manche Künstler nehmen eine absichtlich provokative bzw. eine Punk-Haltung ein, wie zum Beispiel Albert Oehlen, dessen Bild mit dem spanischen Titel Bobo Alegre an den „Glücklichen Irren” erinnert. Oder John Giorno, dessen Beschimpfungen frech auf dunklem Hintergrund stehen, oder auch Christoph Büchel, der ein Quartett reizender Achtzigjähriger gebeten hatte, „God Save the Queen” von den Sex Pistols zu singen. No Future. Ja, aber welcher?
Andere, vielleicht noch verrückter, zögern nicht, sich der Lächerlichkeit preis zu geben, wie beispielsweise Heimo Zobernig in seinem VideoN°24, wo er in einem heroischen Kampf gegen die Farben Rot, Grün und Blau beinahe zum Verschwinden gebracht wird. Der Künstler, der gegen die abstrakte Kunst kämpft, vielleicht ist es das… Ähnlich findet man eine ebenso absurde Poesie in den „'pataphysischen” Filmen von João Maria Gusmão und Pedro Paiva, in denen die Gesetze der Physik aufgehoben zu sein scheinen und das Übernatürliche heimlich die Herrschaft übernommen zu haben scheint.
Ein anderes, vielleicht prosaischeres Spiel ist das der Aneignung bereits existierender Objekte oder Formen, die sich dann in Arbeiten von Künstlern wie Tony Cragg oder Jürgen Drescher wiederfinden. Der eine „malt” mit Recyclingmaterial, der andere nimmt seinen Küchenfußboden und verwandelt ihn in ein skulpturales Bild. Das Verfahren des Détournements scheint sich übrigens auch in anderen Bereichen kreativen Schaffens auszubreiten: so greift der Designer Sam Baron traditionelle portugiesische Fayencen auf und spielt mit diesen alten, einheimischen Formen, während der Modemacher Martin Margiela kuriose multifunktionale Objekte entwirft.
Während also nun das Obergeschoss des Museums dazu dient, die Sammlung unter thematischen Gesichtspunkten zu präsentieren, ermöglicht es die Ausstellung Premier étage - Second degré, dort auf unvoreingenommene Weise Kunstwerken zu begegnen, in denen Subversion und Poesie, aber auch Humor und Kritik aufeinander prallen und sich miteinander verbinden.