Michel Paysant
Die Projekte von Michel Paysant (1955, Bouzonville, Frankreich) verorten sich zwischen Kunst und Wissenschaft. Sie schaffen Brücken zwischen dem Kunsthandwerk, der Technikgeschichte und der Entwicklung moderner Technologie. Mitte der 1980er-Jahre begann Paysant, sich für Asphalt als künstlerisches Material zu interessieren, dessen „magische, starke und geheimnisvolle Qualität ebenso wie seine suggestive Kraft, Bilder zu erzeugen, seine Geschichte und sein Gedächtnis“ ihn derart faszinierten, dass er „ihm total auf den Grund gehen“ wollte. Asphalt als vermeintlich „armes“ Material ist ein natürliches oder künstliches Produkt aus Erdöl und wurde bereits in der Antike zum Kalfatern von Booten oder zum Einbalsamieren der Toten genutzt. Er half bei der Erfindung der Fotografie wie beim Glätten von Straßen in moderner Zeit und ist von nahezu unerschöpflichem symbolischem Reichtum, aus dem Paysant in zahlreichen Werken schöpft.
Michel Paysants mehrteilige Installation Nusquam (lat.: nirgendwo) behandelt die Themen der Gastfreundschaft, des Anderen und der Emigration. Sie ist ein freies Gedankenspiel und ein poetischer Blick auf die Idee des „Gastlandes”. Angeregt durch den Text von Thomas Morus, Utopia (1516), stellt Nusquamidealerweise einen „aktiven Wartesaal” dar, einen Zwischenort, an dem man sich neu auflädt, in den man eintaucht und wo man lauscht. Nusquam bildet so eine fiktive Schwelle in eine andere, bessere Welt, deren Existenz nicht zuletzt im Gedanken des vereinten Europas lebt. In dieser in enger Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Partnern wie Botanikern, Handwerkern, Komponisten u.a. entstandenen Arbeit sammeln und verknüpfen sich literarische, historische und symbolische Bezüge wie in einer barocken Kunst- und Wunderkammer.
Peradam wurde ursprünglich 2007 für das Projekt Nusquam entwickelt. Mit seinem Titel verweist das Werk auf den geheimnisvollen Edelstein in dem unvollendeten utopischen Roman Der Berg Analog (1939–1944) von René Daumal (1908, Boulzicourt, Frankreich – 1944, Paris): ein Schatz, der nur für jene sichtbar ist, die ihn suchen. In der Videoanimation sieht man in einem langsamen Morphing fünfundfünfzig Asphaltfragmente bedeutender europäischer Straßen. Diese Folge von jeweils vor Ort eingesammelten Bitumenstücken – vom Frankfurter Börsenplatz, der Brücke des kosovarischen Mitrovica oder den europäischen Institutionen in Luxemburg – lädt zu einer imaginären Reise durch den Kontinent ein.