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Melvin Motis Ausstellungsprojekt The inner self in outer space erzählt vom Sehen, vom Bemerken und vom Übersehen. Wie bereits bei früheren Gelegenheiten geht Melvin Moti ein komplexes Thema mit einem äußerst sparsamen Einsatz der verwendeten Mittel an.
Auf einigen wenigen Fotografien erkennt man zunächst dekorativ-handwerkliche Gegenstände, die aus unterschiedlichen Kulturen zu stammen scheinen und die alle ihr Vorbild in der Sammlung des Londoner Victoria & Albert Museum (V&A) finden. Moti ließ hierfür teils eigens Reproduktionen anfertigen, teils fand er die Antiquitäten bei Händlern. Ein kleines Textbuch, dessen Lektüre einen weiten Einblick in die gründlichen und vertieften vorbereitenden Reflexionen Melvin Motis gewährt, liegt aus, während ein eigens produzierter Film das Herzstück der Installation bildet.
Dieser Film erzählt in langsamen Bildern von hypnotischer Schönheit von der Losgelöstheit, vom Schweben in scheinbar schwereloser Bezuglosigkeit. Unter völligem Verzicht auf digitale Technik und unter Betonung der handwerklich-perfekten Manier kinematografischer Großproduktionen der 1970er Jahre beschreiben gemalte Monde und die bereits auf den Fotos gesehenen dekorativen Gegenstände vermeintliche Umlaufbahnen.
Die Darstellung der Schwerelosigkeit ist eine poetische Metapher für Motis Verständnis des berühmten Londoner Museums, das für ihn das Paradebeispiel eines „Null-Gravitations-Museums” ist. Dieses 1852 gegründete Museum für Kunsthandwerk mit seiner immensen Sammlung von Kunstgegenständen aller Epochen und Herkünfte verzichtet in seiner Präsentation weitgehend auf kommentierende Hintergrundinformationen, was seine Ausstellungsstücke in den Augen Melvin Motis zu frei schwebenden, losgelösten Objekten macht, die einzig einem ästhetischen oder sich für Material und Technik interessierenden, „geologischen” Blick begegnen. Die antihistorische und antisoziale Haltung in der Präsentation der Überfülle des V&A, die von den Museumsverantwortlichen mit den Worten gerechtfertigt wurde, das Haus sei „die Verherrlichung eines Warenhauses” und nicht „ein sozialhistorisches Museum”, führt nach Ansicht Melvin Motis auch heute noch zu einer visuellen Überreizung, da mit jedem Augenblick ein neues Bild registriert würde.
Diese Überflutung von Einzeleindrücken vergleicht Melvin Moti in seinem Text mit den so genannten „Mouches volantes,“ den jedem bekannten Trübungspartikeln auf der Augenoberfläche, die nur in der Flüchtigkeit ihrer Bewegung wahrgenommen werden können, oder gar mit dem optischen Phänomen des „Eigengrau”, einer Art farblichen Rauschens, das im Auge bei völliger Dunkelheit oder geschlossenen Lidern von selbst erzeugt wird. Es sind diese auf den feinen Membranen zwischen den Wahrnehmungswelten sich abzeichnenden flüchtigen Bilder, die Darstellungen der Berührungspunkte unterschiedlicher Welten, die Melvin Moti in ihren unterschiedlichsten Formen und über die ganze Bandbreite vom „Inneren Selbst bis in den äußeren (Welt)-raum” verteilt, interessieren und die er in philosophischer Leichtigkeit und mit weit mäandrierenden, nachdenklichen Betrachtungen anhand von zahlreichen Beispielen in dem begleitenden Text illustriert. Die Frage, wie das Auge selbstständig „eigene“ Bilder hervorrufen kann, ohne jeglichen Reiz von Außen, war Motis Verbindung zur Sammlungspräsentation des Victoria & Albert Museums, wo ebenfalls Objekte gezeigt werden, die, ohne in irgendeinen sozialen oder geschichtlichen Zusammenhang gestellt zu werden, dennoch Bedeutung produzieren.