Noel W. Anderson
Noel W. Anderson (1981, Louisville, USA) arbeitet an der Schnittstelle von Druckgrafik, Fotografie, Kunstweberei und Skulptur. Dabei hat er künstlerische Methoden entwickelt, die sich mit der Geschichte des Antirassismus und mit Fragen nach seiner Sicht- und Lesbarkeit befassen. Vor dem Hintergrund weit verbreiteter Bilder vom Tod und von physischer Gewalt gegen Schwarze erforscht Anderson die Möglichkeiten, diese bedrückende Wirklichkeit darzustellen, ohne ihren traumatisierenden Effekt zu erneuern. Indem er seine Wandteppiche wie Skulpturen behandelt, schafft Anderson greifbare Objekte, die nicht nur sein Gespür für den Raum, sondern auch seine Kenntnis der Kunstgeschichte belegen. Oft im Raum hängend, gefaltet und verzogen, spielen seine Arbeiten mit den Grenzen von Gegenständlichkeit und Abstraktion, Malerei und Skulptur. Damit reiht sich Anderson in die Geschichte der postmodernen Künstler ein, die die Grenzen der Abstraktion durch dreidimensionale Gemälde zu erweitern suchten, wie Sam Gilliam (1933–2022) und Alan Shields (1944–2005).
Hood Dreams I (2012-2019) ist an fünf Punkten an der Decke so aufgehängt, dass das darauf gedruckte Bild nur schwer lesbar ist. Es ist eine beispielhafte Arbeit für die formalen und ethischen Fragen, die den Künstler beschäftigen. Ausgangspunkt der Arbeit ist ein Pressefoto, das eine Szene aus den Unruhen in Los Angeles von 1992 dokumentiert, die auch als die „Rodney King Riots“ bekannt wurden. Was der Betrachter kaum entziffern kann, sind drei weiße Polizisten, die zwei Schwarze gewaltsam auf die Motorhaube ihres Autos drücken, um sie an der Weiterfahrt zu hindern. Anderson zeigt den Bildteppich in einer Weise, die dieses beweiskräftige Bild körperlicher Gewalt verzerrt und unkenntlich macht. Dieses bildhauerische Vorgehen zielt darauf, dem Stereotyp der Bilder von Schwarzen als illegale Körper, die misshandelt werden können, entgegenzuwirken, um so dem Diskurs zur Identität innerhalb der Vereinigten Staaten mehr Komplexität zu verleihen.