Martine Feipel & Jean Bechameil
Das Werk von Martine Feipel (1975, Luxembourg) und Jean Bechameil (1964, Paris) untersucht die Geschichte der industriellen Moderne und ihre Rolle in der Entwicklung unserer zeitgenössischen Gesellschaften. In kritischer Auseinandersetzung schöpft ihre Arbeit aus einem reichhaltigen Formenschatz, mit zahlreichen Bezügen auf die Avantgarden des 20. Jahrhunderts, wie den Kubismus, den Konstruktivismus oder das Design des Bauhauses. Ihre Beschäftigung mit dem Erbe der Moderne hebt ihre Höhe-, aber auch ihre Tiefpunkte hervor, die alle im Zusammenhang mit dem explodierenden technischen Fortschritt entstanden, der gleichzeitig weitreichende Verbesserungen der Lebensbedingungen schuf, wie er zu sozialer Ungerechtigkeit führte und zu unablässigem Druck auf die natürlichen Ressourcen.
Das Basrelief Electric Eclipse (2017) ist ein motorisiertes Klangstück. Zwei sich bewegende Scheiben folgen einem automatisierten Programm, das aus der industriellen Robotik übernommen wurde. Die beiden Magnetmotoren, die aus Electric Eclipse ein kinetisches Kunstwerk machen, sind Erzeugnisse der neuesten Technologie, die es erlaubt, fließende, ruckel- und reibungsfreie Bewegungen zu erzeugen. Die geometrischen Formen auf der Oberfläche des Werkes folgen einem orthogonalen Raster und beziehen sich damit auf abstrakte und rhythmische Kompositionen von Auguste Herbin (1882-1960) oder Sophie Taeuber-Arp (1889-1943). So geht es in Electric Eclipse, einer Arbeit, die mit einem Vorhang präsentiert werden kann, den man öffnen oder schließen kann, gleichermaßen um choreografische Notation wie um Automation. Durch die Verwendung industrieller Technologie und ihre Umwidmung weg von profitorientierter Produktivität hin zu visueller Poesie unterstreichen die Künstler die Bedeutung, die neuen Technologien zu beherrschen, um nicht ihrer Dominanz zu unterliegen.
Ausgangspunkt für ihre Arbeit Le Cercle fermé (2011) ist die Architektur der Ca’ del Duca: In den sich aneinanderreihenden Zimmerfluchten des auf das 15. Jahrhundert zurückgehenden Palazzos, seit 1999 Ausstellungsraum des Luxemburger Pavillion während der Biennale von Venedig gibt es aufgrund seines Alters keine exakten rechten Winkel. Darüber hinaus nehmen die Künstler mit ihrem in unmittelbarer Nähe zum Canal Grande realisierten Werk Bezug auf Venedig, dieser in vieler Hinsicht irreal und zeitlos anmutenden Stadt. Für die Dauer der Biennale gestalten sie die Ca’ del Duca vollständig um, verwandeln sie in eine Folge illusionistischer Tableaus, die den Besucher in ihrem Oszillieren zwischen Wirklichem und Unwirklichem jeden Bezugspunkt verlieren lassen: Geraden werden zu Kurven, Fußboden und Decke werden verwechselbar, Orientierungspunkte verändern sich. Die von unbewegten, deformierten Objekten bevölkerte Installation mutet an, als sei sie im zeitlichen Kontinuum erstarrt, und eröffnet einen potenziellen Raum innerhalb des bestehenden Raums. Ihr Titel wird für den Besucher auf verschiedenen Ebenen erfahrbar. Seine Orientierungslosigkeit gleicht der in einem geschlossenen Labyrinth, und obgleich er sich innerhalb der Installation befindet, kann sie gleichzeitig zur Projektionsfläche seiner eigenen Geschichten werden.