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David Altmejd

Flux

„In der Spanne zwischen Science-Fiction und Wirklichkeit, zwischen fantastischer Zoologie und wissenschaftlicher Kreativität gelingt David Altmejd das Kunststück, in ein und demselben Schmelztiegel die bunte Magie des Materials, die endlose Fantasie der Formen und die Poesie der uralten künstlerischen Handgriffe zu vereinen.” (Louise Déry)

David Altmejd The Doctor, 2007
© Photo: Rémi Villaggi / Mudam Luxembourg

In seiner bald zwanzig Jahre andauernden Laufbahn fertigte der kanadische Bildhauer David Altmejd Skulpturen von großer formaler und inhaltlicher Komplexität, die sich in der Wahl ihrer Materialien als absolut zeitgenössisch erweisen. Das Interesse des Künstlers für die Biologie und die Architektur ebenso wie seine Faszination für die Metamorphose mündet in starke Bilder, die an die traum- und alptraumhaften Welten David Cronenbergs oder David Lynchs oder auch den labyrinthhaften Erzählungen Jorge Luis Borges erinnern.

Altmejds Arbeiten sind von mitunter unüberschaubarem Detailreichtum, was zu einer formalen Eigendynamik einzelner Elemente führt, die sich in manchen Werken wie aus sich selbst heraus zu erschaffen scheinen. Die von inneren Kräften und spannungsreicher Energie durchdrungenen Arbeiten Altmejds wirken dabei wie eine Momentaufnahme in einem fortdauernden Entstehungsprozess, während den in den Skulpturen auf vielfältige Weise dargestellten Naturkräften Energieströme gegenüber stehen, die, wie beispielsweise in The Index, durch Goldkettchen versinnbildlicht werden. So ist den Werken Altmejds ein unbestimmtes erzählerisches Moment von beunruhigender Uneindeutigkeit zueigen, das den Betrachter mit zahlreichen unbeantworteten Fragen konfrontiert, gleichzeitig aber die Subjektivität seiner eigenen Empfindungen und Deutungen unterstützt.

Altmejds Werke waren von Beginn seiner künstlerischen Laufbahn an vielfältig in Gestalt und Material. Früh tauchte das für seine Arbeit wichtige Motiv des Werwolfs auf, das er in Form einzelner Köpfe oder innerhalb von komplizierten Sockeldispositiven variierte. Dabei verwendete er schon bald mit der aushärtenden Knetmasse, mit Kristallen, Plexiglasstrukturen und Spiegeln Materialien, die auch im weiteren Verlauf seiner Arbeit Anwendung finden sollten. Die hier präsentierten Köpfe aus den Jahren 2006 bis 2015 veranschaulichen die Altmejds Werken so oft inhärente Spannung zwischen Schönheit und Schrecken, zwischen der Noblesse der Materialien und dem schmerzhaften Grauen des Dargestellten.

The Builders (2005), The Outside, The Inside and The Praying Mantis (2005) und The Trail (2006) sind Weiterentwicklungen früherer tischhafter Kompositionen und bilden als modellhafte Architekturen eine Mischung aus eigenständigem Mikrokosmos und wissenschaftlichem Präsentationsdispositiv. Die auf den ersten Blick architektonisch und rational gegliederten Werke entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als geometrische Wucherungen und surreale Labyrinthe mit organisch-fremdartigen Elementen. Altmejd überwand die Horizontalität dieser Präsentationsstrukturen mit der Reihe der vertikal ausgerichteten riesenhaften Figuren, die für ihn aufgrund ihrer Größe während seines „mikroskopischen”, auf das Detail fixierten Arbeitsprozesses fast unüberschaubar blieben. Diese den Grand Hall des Museums bevölkernden, als belebte „Landschaften” oder vollständig verspiegelt gestalteten Kolossalstatuen lösen in ihrer block- haft-hermetischen, klassisch inspirierten oder offen-dekonstruierten Gestalt Assoziationen vom Golem und Cyborg aus. Ergänzt werden sie durch Gipsfiguren aus der Reihe der Bodybuilders, die wie die Verkörperung ihres eigenen Herstel- lungsprozesses wirken.

Die in jüngerer Zeit entstandenen Plexiglasarbeiten geben den skulpturalen Konkretionen Altmejds einen räumlichen Rahmen, dessen transparente Hülle sie begrenzt, gleichzeitig aber ungewöhnliche Einblicke in die inneren Zusammenhänge einer Skulptur ermöglicht. Liegt in Le Guide (2010) oder Le Souffle et la Voie (2010) der Schwerpunkt noch auf einer symmetrisch angelegten Schilderung innerer Energieströme, so erhöhen in Arbeiten wie The Orbit (2012) erneut architektonische Elemente, Spiegel, Früchte und anatomische Fragmente die Komplexität der Werke. Die dynamisch gerichtete Bewegung in diesen Arbeiten, die immer wieder die inneren und mitunter auch äußeren (Plexiglas-)Grenzen durchbricht, ist für Altmejd trotz der vermeintlichen Morbidität mancher Details ein Zeichen kraftvoller Lebensenergie.

David Altmejd wurde 1974 in Montreal geboren. Er lebt und arbeitet in New York.

Anschauen

David Altmejd | Mudam

Credits

Kurator:
  • Marie-Noëlle Farcy

Ausstellung realisiert in Zusammenarbeit mit:
  • Musée d'Art moderne de la Ville de Paris

    Musée d'art contemporain de Montréal