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Um sich ihrer selbst zu versichern und um an eine Zukunft glauben zu können, hat jede Epoche ihre eigenen Glaubensvorstellungen, gleich einer sich unaufhörlich erneuernden Suche nach dem Sinn des menschlichen Seins in einer Welt, die sein Verstehen übersteigt. Seit den Tiefen der Zeit gehören die Vernunft und das Irrationale zusammen, schließen sich Wissenschaft und Glaube gegenseitig aus und ergänzen sich doch.
Wo die feinsten Berechnungen sich als falsch erweisen und sogar die Weisen mit ihrer Weisheit am Ende sind, kann man es niemandem verübeln, dass er auf das zufällige Gezwitscher der Vögel achtet oder auf die ferne Gegenschrift der Gestirne.(Marguerite Yourcenar, Ich zähmte die Wölfin. Die Erinnerungen des Kaisers Hadrian)
Mythen entstehen aus unerklärten Phänomenen und nähren, wie in den Filmen von João Maria Gusmão und Pedro Paiva die Fantasie. Ihre 16-mm Filme zeigen kurze, rätselhafte Szenen, wie einen mysteriösen schamanischen Tanz mit einer Schlange, ein sich bewegendes Skelett eines Tieres oder auch die Erkundung einer felsigen Höhle mit Hilfe einer in Flammen stehenden Hand - fremdartige Bilder, die an paranormale Erfahrungen oder an altüberlieferte Riten zu erinnern scheinen. Die beiden Künstler bewegen sich irgendwo zwischen anthropologischer Forschung und pataphysischer Erzählung wie die Beobachter einer Welt, in der die Magie und die Geister untrennbar mit der Wirklichkeit verbunden sind.
Unter dem Sternenrund gibt es die irdische Welt, in der wir wohnen und die wir genau unter die Lupe nehmen und erforschen. Der Mensch, der doch seine Umwelt genau wahrnimmt und vom Wunsch erfüllt ist, ihre Geheimnisse zu lüften, erfindet ohne Unterlass immer neue Hilfsmittel - manche auf hohem technischem Niveau, andere auf Basis einfacher Anschauungen. Die Sternbilder in den Werken von Trevor Paglen führen auf den ersten Blick in eine romantische Irre, denn tatsächlich zeigen sie die Spuren leuchtender Satelliten, die zu Beobachtungszwecken die Erde umrunden, während Francisco Tropas Installation mit dem Titel Lantern an ein kurioses optisches Gerät erinnert, mit dessen Hilfe eine abstrakte Landschaft in Bewegung sichtbar wird, in der sich die Möglichkeit jener anderen Welt andeutet, die gleichzeitig unendlich groß und unendlich klein zu sein verspricht.
Selbst wenn der exakte Blick der Wissenschaften die Lesarten der Welt vervielfältigt und sich unsere Wahrnehmung geschärft hat - das Mysterium bleibt unangetastet. Die Wissenschaften selbst werden in ihren Versuchen, das Universum zu erklären, poetisch und spekulativ, vergleichbar der künstlerischen Freiheit, mit der Björn Dahlem seine Skulpturen erschafft. Die anspielungsreiche und subtile Assemblage gefundener Objekte bietet dem Betrachter ein Modell für seine Vorstellungen vom Big Bang, jenem kosmologischen Ereignis am Beginn der Zeiten, dessen Entdeckung unser Verständnis der Welt revolutioniert hat und zahlreichen Interpretationen und noch zahlreicheren neuen Fragestellungen Tür und Tor geöffnet hat.
Wir mögen in der Tat die Hüter dieser so aufmerksam beobachteten Geschichte der Welt sein, doch sind wir weit davon entfernt, unsere Ursprünge ganz geklärt zu haben. Christian Andersson bietet uns einen erstaunlichen humorvollen und archäologischen Blick zurück: historische Artefakte und zeitgenössische Objekte vermischen sich und machen es möglich, durch Querverbindungen untereinander einen veränderten zeitlichen Ablauf zu konstruieren.
Auch wenn unsere Kenntnisse mit jedem Tag ein kleines bisschen anwachsen, wir können uns nicht mehr einer messbaren und unveränderlichen Welt versichern, die metaphysische Behaglichkeit eines aristotelischen Kosmos ist verloren gegangen. Der Mensch hat seine Mitte verloren, die Religionen ihr Maß. Wie also soll man seine Existenz gestalten, inmitten der Anderen und im Spiegel seiner selbst, in dieser derart weiten Welt und in diesen so unzusammenhängenden Gesellschaften? Sicher, wir teilen kulturelle und religiöse Symbole und die Künstler bedienen sich ihrer oft, distanziert und unbeteiligt: Die kuriose Skulptur God Stackvon Edward Lipski verschachtelt Götter in einem fröhlichen Synkretismus zu einem Konglomerat. Doch sind auch diejenigen zahlreich, die sich im Laufe ihrer persönlichen Suche ihre eigenen Mythologien erfinden, so wie Pascale Marthine Tayou, der seine Götzen aus Glas schmückt, oder die Happy Victims von Kyoichi Tsuzuki, die sich mit ihren Lieblingskleidungsstücken wie mit Fetischen umgeben und so dasselbe Zugehörigkeitsgefühl gegenüber einer Gruppe zur Schau stellen wie die von Candice Breitz zusammengestellte Gruppe von Fans.
Angesichts der geschminkten Gestalten auf den Fotos von Pieter Hugo wird deutlich, dass kein Positivismus und kein Rationalismus dem menschlichen Verstand seine Phantasmen je ganz rauben wird und dass wir noch lange in unseren Träumen nach Antworten auf unsere Fragen suchen werden.