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Sung Tieu (Audio- und Miniguide)

Sung Tieu(Audioguides)

Die Ausstellungen der Künstlerin Sung Tieu (1987, Hai Duong, Vietnam), die mit verschiedenen Medien arbeitet, basieren auf umfangreichen Recherchen. Ihre Skulpturen, Zeichnungen, Texte und Soundarbeiten thematisieren Fragen von Regierungsgewalt, Bürgerpflicht und Gerechtigkeit über eine Analyse staatlicher Kontrollmechanismen. Sie beziehen sich auf die Kunstgeschichte, insbesondere den Minimalismus und dessen Verwendung des Rasters, und beleuchten, wie sich Ideologien in Industriedesign und Architektur einschreiben, sowie die Vorherrschaft der Abstraktion als organisierende Kraft.

Civic Floor besteht aus einer Reihe von Stahl- und Gipsarbeiten, die von gravierten Tafeln (im Untergeschoss ausgestellt) und Soundarbeiten begleitet werden. Sung Tieus neuer, aus Skulpturen und Wandarbeiten bestehende Werkkomplex nimmt Fragen des Raums und des Volumens zum Anlass, deren grundlegende Rolle sowohl im Kunstschaffen als auch bei der Gestaltung von Hafträumen und in bürokratischen Systemen zu betrachten.

Sieben mit Erde gefüllte Stahlskulpturen, auf Stahltischen platziert, beziehen sich auf vier Typen von Gefängnisarchitektur: das so genannte „Radial“-Gefängnis, das in den 1840er-Jahren in Großbritannien entstand, die „Innenhof“-Architektur, die es im späten zwanzigsten Jahrhundert ablöste, und die „neue Generation“ von Gefängnissen, die in den 1990er-Jahren aufkam. Tieu lädt uns ein, einen Blick in das Innere der kantigen, schrägen Formen zu werfen, das die Organisation dieser Räume offenbart. Drei der Werke vergrößern ein Detail dieser Innenräume. Das Hinzufügen von vor Ort entnommener Erde stellt eine Verbindung zum Land her. Das allgegenwärtig verfügbare organische Material dient zudem als Hinweis auf die Existenz nationaler Grenzen.

Die Skulpturen sind von einer zweiten Serie von Wandarbeiten auf Gipsbasis umgeben, die auf verschiedene Dokumente zur Beurteilung einer Einwanderungsberechtigung verweisen. Drei Formulare, die jeweils für einen Asylantrag, den Einspruch gegen eine Abschiebung und einen Antrag auf eine „Befreiung von Unzul.ssigkeitsgründen“ verwendet werden, bilden die Grundlage für die Wandarbeiten. Ohne Text und auf Linien und Kästchen reduziert, geben sie nur jene Teile des Formulars wieder, die von den Antragstellenden auszufüllen sind. Die Werke lenken die Aufmerksamkeit auf die rasterförmige Grafik der Dokumente, die Aufteilung der Fläche auf der Oberfläche und die Abstrahierung ihrer kompositorischen Elemente innerhalb eines Schemas linearer, quadratischer und rechteckiger Formen. In die glatte Gipsoberfläche gefräst, wirken sie wie rätselhafte Notationen. Sie spielen auf antike Ton- und Steintafeln an, die zu den frühesten Formen der Inschrift zählen und administrative oder praktische Regeln antiker Gesellschaften beschreiben. Im Untergeschoss bietet Tieu eine schriftliche Analyse dieser Gipsarbeiten an, in der sie die Aufteilung der Flächen untersucht und mit Zahlen quantifiziert.

Die Ausstellung wird von einem Soundtrack begleitet, der auch auf der Website des Mudam angehört werden kann. Die im Untergeschoss gezeigten Texte sind auch über ein Informationsblatt zu finden, das an Kasse des Mudam erhältlich ist.

Biografie
Sung Tieu’s Arbeit wurde im Rahmen von Einzelausstellungen im Kunstmuseum Bonn, in der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig (2021), im Nottingham Contemporary und im Haus der Kunst in München (2020) gezeigt. Ihre Werke waren zudem Teil der 34. Biennale von São Paulo und wurden im Museion in Bozen, in der Kunsthalle Basel (2021), im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt/ Main, im GAMeC Museum in Bergamo und im Hamburger Bahnhof in Berlin (2020) ausgestellt. Zu ihren kommenden Projekten gehören Einzelausstellungen in der Amant Foundation, im MIT List Visual Arts Center in Cambridge (USA) und im Kunstmuseum Winterthur (jeweils 2023). 2021 erhielt sie den Frieze Artist Award und den ars viva-Preis. Im gleichen Jahr erhielt sie zudem den Publikumspreis anlässlich des Preises der Nationalgalerie in Berlin. Sie lebt und arbeitet in Berlin.