Mark Lewis
Mark Lewis (1958, Hamilton, Kanada) interessiert sich gleichermaßen für die Geschichte und Theorie des Films und für die Bedingungen seiner Herstellung. Seine Filme zeichnen sich durch raffinierte Bildkompositionen aus, durch die immer wieder Bezüge zur Kunstgeschichte entstehen. Bildfolgen sind dicht und voller Anspielungen. Lewis’ Arbeit hinterfragt unsere cineastischen Sehgewohnheiten und erlaubt uns eine Neubewertung unseres Blicks auf die Wirklichkeit durch die Dekonstruktion scheinbar banaler Szenen.
Das zweiteilige Video City (2019) zeigt eine lange Kamerafahrt durch die Ruinen der brasilianischen Großstadt São Paolo und beginnt und endet mit zwei ikonischen Kulturstätten der 1930er bzw. der 1950er-Jahre. Für die Herstellung des Films verwendete Lewis etwa 6000 hochauflösende Fotos, um bewegte Simulationen der Fassaden des Cine Art Palácio (eines Kinos aus den 1930er-Jahren, das im ursprünglichen Zustand zu sehen ist) und der Casa do Povo, eines nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs errichteten jüdischen Kulturzentrums, zu zeigen. Im Gegensatz zu der übergangslosen digitalen Animation gescannter und simulierter Umgebungen unterstreicht City das Fragmentarische einer mit dieser Technik rekonstruierten Bildwelt und erweckt so den Eindruck einer zerfallenden Welt in Ruinen. Obwohl er eine direkte Interpretation seiner Filme meist vermeidet, hat Lewis auf die Bedeutung dieser Arbeit hingewiesen: „[City] spricht vom ontologischen Unterschied zwischen Fotografie und bewegtem Bild. Es spricht auch von der Vorstellung des Endes des Films und vom Ende einer bestimmten Vorstellung von utopischer Architektur, eventuell sogar vom Ende der Welt.“
In Spadina: Reverse Dolly, Zoom, Nude (2005) trägt Lewis beiden Fragestellungen Rechnung, indem er drei Bilder auf filmische Weise miteinander verbindet. Der auf den ersten Blick nur schwer verstehbare Titel deutet zunächst auf Ort und Verlauf des Filmes. Aufgenommen im nördlichen Bereich der Spadina Road in Toronto, zeigt er in seiner knapp dreiminütigen Dauer den fließenden Übergang von der filmischen Nahaufnahme in die Totale. Während zunächst der Blick aus dem „Inneren” eines Baumes zur Totale einer unspektakulären urbanen Landschaft führt, ruckfrei vollzogen dank des auf Schienen rückwärts laufenden Kamerawagens (Dolly), so bietet der kurze Schluss des Filmes mit der „falschen” Kamerafahrt des Heranzoomens die andere, voyeuristische Methode zur Annäherung an das Motiv.