Etel Adnan
Die beiden Gemälde ohne Titel von Etel Adnan (1925, Beirut–2021, Paris) aus dem Jahr 2010 sind TeiI einer Reihe geometrischer Abstraktionen, die die Künstlerin seit den späten 1950er Jahren anfertigt. Hierfür legt sie den Malgrund auf eine ebene Fläche und trägt die Farbe mit einem Spachtel direkt auf die lose Leinwand auf, was zu mosaikartigen Blöcken reiner Farbe führt. lhre Bilder erinnern an Landschaften, in denen Kreise die Sonne symbolisieren und Linien Meer und Himmel trennen. Sie verweisen auf Orte, an denen Adnan gelebt oder die sie besucht hat, und spiegeln ihren tiefen Respekt vor der Natur: „Meine Malerei spricht von meiner Liebe zur Welt, dem Glück, einfach nur zu existieren, der Liebe zur Natur und zu den Kräften, die die Landschaft formen.“ Diese Freude wird durch die lebendige und unverwechselbare Farbpalette der Künstlerin verkörpert, deren „Leuchtkraft“ von ihrer Zeit in Kalifornien inspiriert ist, wo sie zu Beginn ihrer künstlerischen Karriere lebte und arbeitete.
Das Leporello ohne Titel aus dem Jahr 1965, welches Aquarellzeichen mit abstrakten, an Hieroglyphen erinnernden Symbolen und ein Gedicht in englischer Sprache kombiniert, ist ein frühes Beispiel für Etel Adnans Verwendung von Leporellos, einem Buchformat in Akkordeonform, das auf dem asiatischen Kontinent entstanden ist. Die Künstlerin, die bis Mitte der 2000er Jahre besser als Dichterin und Schriftstellerin bekannt war, sah in diesem Format eine Möglichkeit, Malerei und Schrift zu kombinieren und die physikalischen Parameter ihrer Arbeit zu erweitern. Hierzu sagt sie selbst: „lch mag das Fließen, das offensichtliche Fehlen von Grenzen, das Flussähnliche dieser langen, sich entfaltenden Papiere.“ Sprache ist ein wiederkehrendes Anliegen in der Arbeit der polyglotten Künstlerin, die zuhause Türkisch und Griechisch sprach, Französisch in der Schule und Arabisch „auf der Straße“ lernte. Zunächst benutzte sie Leporellos, um arabische Gedichte zu lernen, die sie von Hand kopierte. Später begann sie dann, auch Originaltexte in englischer Sprache in ihre Arbeiten aufzunehmen. Die Gedichte auf diesen Seiten, die 1965 auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges entstanden sind, enden mit der Zeile „America at war“ (Amerika im Krieg) und dürften als Reaktion auf den Konflikt verfasst worden sein, der von 1955 bis 1975 dauerte.