Hanne Darboven
Seit den späten 1960er Jahren widmete sich die Künstlerin Hanne Darboven (1941, München – 2009, Hamburg) der täglichen Praxis des Schreibens (Schreibzeit). In ihrem umfangreichen und vielgestaltigen Werk – darunter Kalender, Partituren und Bücher – verräumlicht und visualisiert sie die Zeit. Ein Jahrhundert-ABC / One Century ABC (1970–1971) besteht aus neunzehn Tafeln mit je zweiundvierzig Blättern Papier, die nach Darbovens Notationssystem beschriftet sind. Die wellenförmigen Markierungen oder „Schriftzüge“ beschreiben ein „zeitbasiertes“ Prinzip, das sie K-Wert nannte. 2K entspricht zwei Strichen nach oben, 3K drei Strichen und so weiter. Darbovens Praxis kann als performative Geste betrachtet werden, die einer maschinenartigen Arbeit sehr nahekommt. In einem selbst auferlegten, streng reglementierten Acht-Stunden-Tag produzierte sie Zeile für Zeile und Seite für Seite handgeschriebene Skripte, die an die ersten „menschlichen Rechner“ erinnern, deren in Langschrift notierte Berechnungen der Flugbahnen von Kometen, Raumschiffen und ballistischen Flugkörpern riesige Papierstapel produzierten.