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Post-Capital: Kunst und Ökonomie im digitalen Zeitalter versammelt Skulpturen, Gemälde, Fotografie, Video und Performances, die sich mit dem Wesen der Produktion, des Konsums und des Wohlstandes auseinandersetzen. Die in einer Zeit bedeutenden Wandels und grundlegender Unsicherheiten entwickelte Ausstellung hat ihren Ausgangspunkt in dem kapitalistischen System innewohnenden Paradox, dass es gleichermaßen vom technischen Fortschritt abhängt, wie es von ihm bedroht ist.
Die Ausstellung hat ihren Titel von dem 1993 erschienenen Buch Post-Capitalist Society, welches prophezeite, dass die Wirkung der Informationstechnologie auf den Arbeitsmarkt so groß sein würde, dass sie etwa um das Jahr 2020 den Fall des Kapitalismus herbeiführen würde. Während das Internet damals noch in den Kinderschuhen steckte (so wurde Luxemburg beispielsweise erst 1992 mit dem Internet verbunden), sagte das Buch voraus, dass in der Zukunft das Wissen, und nicht Kapital, Arbeit oder Landbesitz zur Grundlage von Wohlstand werden würde.
Heute haben sich Arbeit, Währungen und Waren, aber auch der Konsum dramatisch durch sich ständig weiterentwickelnde Technologien verändert. Multinationale Firmen der Informationstechnologie gehören heute ebenso wie Handelsplatt-formen des E-Commerce zu den am höchsten bewerteten Unternehmen überhaupt. Dabei sind die in großen Mengen und unendlich reproduzierbaren Informationen zu einem kostbaren Gutgeworden, das herkömmliche, auf Knapp-heiten basierende Handelspraktiken herausfordert. Post-Capital stellt Arbeiten von einundzwanzig Künstlern aus siebzehn verschiedenen Ländern vor, die auf vielfältige Weise die Ästhetiken und die Paradoxien ebenso wie die Absurditäten und die ethischen Fragen behandeln, welche in unserem post-industriellen oder gar post-kapitalistischen Zeitalter aufkommen. In einer neu geschaffenen skulpturalen Installation von Roger Hiorns im Grand Hall ist ein bekannter Flugzeugtyp von Plastikschläuchen umwickelt und ein System sowohl des totalen Stillstands als auch eines beständiges Fliessens dargestellt.
Arbeiten von Cao Fei (im Auditorium -1), Simon Denny, Liz Magic Laser und Cameron Rowland (in den Galerien auf +1) beschäftigen sich mit heutigen Arbeitsbedingungen, wie dem Phänomen automatisierter Logistikzentren und Lagerhäuser, der Gig-Ökonomie oder biometrischen Zeiterfassungssystemen. An anderer Stelle in den Galerien des Obergeschosses gibt es LED-Gemälde von Ei Arakawa, Videoinstallationen von Mohamed Bourouissa und Yuri Pattison und Fotoarbeiten von Shadi Habib Allah, die „Tauschmittel“ dokumentieren, von der Pariser Münze bis hin zur Bitcoinproduktion im ländlichen China und vom inoffiziellen Handel mit Sozialkrediten in Lebensmittelgeschäften in Miami zeugen.
Andere Arbeiten des Künstlerkollektivs GCC oder von Guan Xiao thematisieren Geltungskonsum oder Überproduktion. Fotografien von Josephine Pryde oder die eigens in Auftrag gegebene Wandarbeit von Nora Turato reflektieren die Entwicklung von Sprache, Kommunikation und Selbstbezogenheit im Zeitalter des Smartphones. Videoinstallationen von Martine Syms und Sondra Perry sprechen von der Kommerzialisierung persönlicher Daten und stellen Fragen nach Identität, Authentizität und Selbstbestimmung. Die Skulptur von Katja Novitskova geht spielerisch mit dem Aufkommen der sogenannten „Aufmerksamkeits-Ökonomie“ in einer informationsgesättigten Welt um. Ein Gemälde von Laura Owens und eine Reihe von Fotografien von Nick Relph verschmelzen digitale und analoge Medien. Erstere bezieht sich auf kurzlebige Druckwerke und die Werbung des 20. Jahrhunderts, letzterer thematisiert die städtische Gentrifizierung im 21. Jahrhundert.
Arbeiten im Jardin des sculptures des Mudam zeigen Beispiele von Urheberrechtsfreiheit bzw. Allgemeinbesitz. Oliver Laric schafft copyright-freie Scans von Antiken aus verschiedenen Museen weltweit, während die Installation von Hito Steyerl die Phänomene des Freeports mit dem alten Begriff der Allmende in Konstrast setzt.Schließlich wird die Künstlerin Lara Favaretto an einem nicht bekannt gegebenen Ort im Museum eine Reihe von „heimlichen Gesprächen“ moderieren, bei denen es um Begriffe wie „Mehrwert“, „Macht“ und „Hacker“ geht und die vom Mudam aus per Livestream auf ihre Webseite thinking-head.com übertragen werden.
Die Ausstellung umfasst außerdem eine neue Performance und eine Plakatkampagne von Nora Turato an unterschiedlichen Orten der Stadt Luxemburg. Arbeiten der Ausstellung aus der Mudam Sammlung, darunter die von GCC, welche 2020 dem Museum geschenkt wurden, werden erstmalig im Museum präsentiert.