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Vue de l'exposition "Isamu Noguchi / Danh Vo. a cloud and flowers", 11.12.2021 – 19.09.2022, Mudam Luxembourg © Photo : Nick Ash
Isamu Noguchi / Danh Vo

a cloud and flowers

Mit seiner Ausstellung im Henry J. and Erna D. Leir Pavilion des Mudam setzt der Künstler Danh Vo (1975, Bà Rịa, Vietnam) seine vor einigen Jahren begonnene Reflexion über das Werk des japanisch-amerikanischen Bildhauers Isamu Noguchi (1904, Los Angeles – 1988, New York) fort. In dieser neuen Installation entspinnt sich ein persönlicher Dialog zwischen Vos Arbeit und dem Werk Noguchis, dessen kulturelle Identität ihren künstlerischen Ausdruck am Schnittpunkt westlicher und östlicher Kulturen fand. Das Werk dieses historischen Vertreters der modernen Kunst findet ein Echo in den Skulpturen und Installationen Danh Vos mit ihren formalen, thematischen und konzeptuellen Fragen nach Herkunft und kultureller Bedeutungsverschiebung. Subtil abgestimmt auf die spezifische Architektur des Pavillons, auf seine Höhe und seine Helligkeit, sowie auf seine Umgebung – den Park Dräi Eechelen – schuf Vo einen konzeptuellen Garten, zu dem neben einer Auswahl von Isamu Noguchis berühmten Akari-Lampen eine aus Steinen und Pflanzen bestehende Installation von ihm selbst gehört.

Die Akari-Lampen nehmen eine besondere Stellung im Werk Isamu Noguchis ein. Sie krönten sein Bemühen, die Trennung zwischen funktionalem Objekt und Kunstwerk zu überwinden und bildeten eine gelungene Verbindung zwischen traditioneller Form und modernen Elementen. Während eines Aufenthaltes im Jahr 1951 in der zentraljapanischen Stadt Gifu hatte der Künstler einen traditionellen nächtlichen Kormoranfischzug erlebt, während dem die vorne an den Booten angebrachten Laternen Fische anlockten, die dann mit Hilfe von Kormoranen gefangen wurden. Diese Laternen, die nach einer alten Methode mit dem Washi-Papier aus der Rinde des Maulbeerbaums hergestellt wurden, faszinierten Isamu Noguchi dermaßen, dass er beschloss, sie an moderne Bedürfnisse anzupassen. Mit neugestaltetem Design und ihrer Elektrifizierung, jedoch unter Beibehaltung einer lichtdurchlässigen Hülle aus Papier und ihrer besonderen Eigenart, faltbar zu sein, schuf er die Lampen der Reihe Akari. Luftig und voller Poesie, sind die Akari-Lampen funktionale Lichtskulpturen, die bis heute produziert werden. „Für mich,“ so Isamu Noguchi, „sind die Akari die Vollendung einer alten Tradition.“

Die wie Baumkronen unter dem Glasdach des Pavillons hängenden Akari-Lampen bekrönen hier einen speziellen Garten. Vos Skulpturen bestehen aus Italien stammenden Sandsteinplatten und aus Nussbaumstümpfen. Sie liegen auf dem Boden und sind weder mit Klebstoffen noch mechanisch fixiert. Manche seiner Skulpturen dienen als Sockel für pflanzliche Kompositionen, die aus Zweigen und Pflanzen aus dem das Museum umgebenden Wald stammen. Diese Werke werden sich über die Dauer der zehnmonatigen Ausstellung verändern.

Vo fügte in seine Arbeiten immer wieder Pflanzen und Blumen mit besonderer Sorgfalt ein. Dabei legte er immer großen Wert auf ihre Symbolik, auf ihre Klassifizierung und auf ihre Anpassungsfähigkeit an neue Umgebungen, um sie innerhalb des historischen Kontextes von Kolonialismus und kulturellen Aneignung mit Bedeutung aufzuladen.

Im Jahr 2017 erwarb Danh Vo den Güldenhof, einen alten, nördlich von Berlin gelegenen Bauernhof. Er renovierte ihn und verwandelte ihn in ein künstlerisches Zentrum mit bio-dynamischem Gemüseanbau und Garten. Um sich mit diesem idyllischen Ort vertraut zu machen, der ihm dazu dient, sich von der Welt zurückzuziehen und Kraft zu tanken, fing Danh Vo damit an alle Pflanzen die er dort fand zu katalogisieren. Er begann eine fotografische Arbeit in Form einer Dokumentation, mit Aufnahmen, die an die Illustrationen eines botanischen Atlas erinnerten. Ähnlich den Eintragungen in einem privaten Tagebuch begann Vo nun auch auf seinen Reisen verschiedene Pflanzen, die er sah, aufzunehmen. Die gleichformatigen Fotos sind stets Nahaufnahmen mit knappem Bildausschnitt. Sie werden anschließend vom Vos Vater mit dem kalligraphischen Schriftzug ihres lateinischen Namens versehen. Von den mehr als zweihundert Aufnahmen, die dieses Projekt mittlerweile umfasst, werden fünfundfünfzig im Mudam ausgestellt. Der Künstler hat sie entsprechend den Jahreszeiten sortiert, in denen er sie aufgenommen hat und verteilte sie über die sieben Wände des Pavillons. Wie ein Kranz legen sich Winter, Frühling, Sommer und Herbst nun um die „Wolke“ aus Akari-Lampen in der Mitte des Raumes und versinnbildlichen den Zyklus der Natur. Die Farben des Himmels und der fotografierten Blumen wirken wie impressionistische Farbtupfer, deren Leuchten den lichten und vergänglichen Charakter der Installation unterstreichen.

Der aus Vietnam stammende und in Dänemark aufgewachsene Künstler Danh Vo gilt als eine der wichtigsten Stimmen seiner Generation. Sein vielschichtiges Werk umfasst Skulpturen aus gefundenen Dingen und Artefakten, Fotografie und Text. Es ist oftmals auch das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit Mitgliedern seiner Familie oder anderen Personen. Seine Arbeiten bestehen aus sorgfältig arrangierten Installationen, deren symbolisches Gewicht und evokative Kraft subtil geknüpften Erzählungen folgt, die historische, politische oder gesellschaftliche Figuren und Ereignisse miteinander verbinden. Auf diese Weise untersucht Vo den Prozess zur Ausbildung individueller oder kollektiver Identitäten.

Das Arbeiten mit anderen ist ein häufig wiederkehrendes Motiv im Werk Danh Vos, der anderen Künstler·innen gerne eine Hommage erweist, indem er ihre Werke in einen Dialog zu seinen eigenen setzt. Dies geschieht hier mit Isamu Noguchi, der ihm ein Vorbild ist in seiner kritischen Auseinandersetzung mit allgemein anerkannten Kategorien und Hierarchien, für seine Übertragungen kultureller Traditionen in zeitgenössische Formen und für seinen Anspruch, die Kunst in das moderne Leben zu integrieren.

Der amerikanisch-japanische Künstler Isamu Noguchi war einer der wichtigsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Sein vielgestaltiges Werk verweist auf eine Vielzahl von Inspirationsquellen. Dazu zählt seine Ausbildung bei seinem Mentor Constantin Brâncuși (1876, Hobița – 1957, Paris) in den 1920er Jahren und seine Zusammenarbeit mit der Tänzerin und Choreografin Martha Graham (1874, Allegheny – 1991, New York) ebenso wie der visionäre Architekt Buckminster Fuller (1895, Milton – 1983, Los Angeles) oder die Zen-Gärten in Japan. Er beschäftigte sich zeit seines Lebens mit der Bedeutung und Funktionsweise von Orten: vom Raum, den die Skulpturen einnehmen, bis hin zu Kinderspielplätzen und Gärten, wie dem 1956-58 für die UNESCO in Paris angelegten Friedensgarten, wobei für ihn die Frage nach der gesellschaftlichen und geistigen Rolle der Kunst in der modernen Welt im Mittelpunkt stand.

Credits

Ort:
Mudam Henry J. und Erna D. Leir Pavilion
Kuratoren:
  • Suzanne Cotter und Clément Minighetti, assistiert von Clémentine Proby