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Lee Bul

Lee Bul

Die südkoreanische Künstlerin Lee Bul schloss ihr Studium der Bildhauerei 1987 in Seoul ab, in einer Zeit, als nach Diktatur und Militärherrschaft demokratische Reformen das wirtschaftlich aufstrebende Land zu öffnen begannen und Zukunftsvisionen sowohl in den leuchtendsten als auch in den finstersten Farben gezeichnet wurden. Als Performancekünstlerin stellte sich Lee Bul gegen die künstlerischen Konventionen in ihrer Heimat und suchte zunächst in stark körperbetonten aber auch in guerillahaften Aktionen, bei denen sie beispielsweise mit monsterhaft wirkenden weichen Stofftentakeln bekleidet unerwartet in der Öffentlichkeit auftrat, einen Ausdruck nicht nur für ihre eigenen, sondern auch für gesellschaftliche Befindlichkeiten.

Die Erweiterung des Körpers – bei Lee Bul dargestellt in den organischen Stoffwucherungen der Monster und in den technoiden Ergänzungen der Cyborgs – bildet einen alten Menschheitstraum bzw. -albtraum, über den das Thema der Utopie und der Dystopie in Lee Buls Werk zu einem zentralen Motiv werden sollte. Die Künstlerin bezieht dabei formale und inhaltliche Inspiration aus einer weiten Vielfalt von Quellen, die von Filmen bis zur Literatur- und Architekturgeschichte reichen, von der europäischen Geistesgeschichte bis zur politischen und kulturellen Geschichte ihres eigenen Landes.

© Photo : Watanabe Osamu. Courtesy Mori Art Museum, Tokyo

Nach den Cyborgs (1997–2011) und den Gestalten aus der Anagram-Reihe wandte sich Lee Bul der Herstellung komplexer modellartiger Landschaften zu, deren Bezug zur Utopie meist im Detail liegt: in Anspielungen oder Reproduktionen utopischer Architekturen, im konkreten Bezug auf den deutschen Architekten Bruno Taut und seine Idee des Sternenbaus oder im Hinweis auf die postmoderne Infragestellung einer auf einem einheitlichen und universalen Diskurs beruhenden „Großen Erzählung” (Reihe Mon grand récit, seit 2005). Die Utopie der ortlosen Unendlichkeit (Untitled, „Infinity wall”, 2008) oder die Reminiszenz an einen zum Diktator gewandelten früheren sozialistischen Utopisten (Thaw (Takasi Masao), 2007) loten das Thema ebenso aus wie die jüngsten Großskulpturen, die architekturhaft dem Betrachter Zugang zu Innenwelten erlauben und ihm eine intensive räumliche Erfahrung vermitteln (Via Negativa, 2012). Dass die sich zum Bodensatz der Geschichte sedimentierten Utopien den Stand des Betrachters verunsichern, wird deutlich in Diluvium (2012) spürbar, einer den Grand Hall des Mudam weiträumig bedeckenden Bodeninstallation, von der aus die von oben herabhängenden Skulpturen nur mit Vorsicht zu betrachten sind.

Lee Bul legt Wert darauf, dem Betrachter in der Studio-Abteilung Einblicke in den Prozess ihrer künstlerischen Kreativität zu geben. Die Rekonstitution ihres Ateliers vertieft über die Fülle an Zeichnungen, Modellen und Materialien das Verständnis für Lee Buls Werk, dessen Entwicklung in den unterschiedlichsten Entstehungsetappen dargestellt wird. Lee Buls Werk bekommt hier über die gestisch-handwerkliche Seite eine persönliche Dimension, der es sich in seiner ansonsten perfekten technischen Ausführung ausdrücklich verweigert.

Lee Bul wurde 1964 in Yeongju, Südkorea, geboren. Sie lebt und arbeitet in Seoul.

Credits

Kuratoren:
  • Marie-Noëlle Farcy, Sunjung Kim, Clément Minighetti