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Contact Tracing

Mudam Collection Online Screening Programme

Contact Tracing ist ein Online-Screening-Programm mit Werken aus der Sammlung von Künstlerfilmen und -videos des Mudam, die ein Fünftel der Museumsbestände ausmachen. Anhand der hierfür ausgewählten Arbeiten lässt sich ermessen, wie sich unser Verhältnis zum Phänomen des Kontakts im Zuge der Covid-19-Pandemie verändert hat, hat diese doch unser Bewusstsein für Abgrenzungen, die uns schützen, indem sie körperliche Nähe und physische Präsenz einschränken, nachhaltig geschärft. Im aktuellen globalen Kontext werden Kontakte mit Ansteckungsgefahr assoziiert, was das genaue Gegenteil zur Folge hat: Isolation. Nach über einem Jahr geprägt von Lockdowns und sozialen Distanzierungsmaßnahmen schwanken wir zwischen Angst vor Ansteckung und Angst vor sozialer Entfremdung.

Vor dem Hintergrund dieser Situation, die uns dazu nötigt, unsere Vorstellungen von Berührung und Nähe zu überdenken, untersucht dieses Programm das Nuancenreichtum von Verhaltensweisen, die uns bis vor kurzem noch selbstverständlich erschienen. Der·ie feministische Theoretiker·in und Philosoph·in der Physik Karen Barad hat gezeigt, dass Kontakt sogar auf molekularer Ebene ein ambivalentes Ereignis ist. Insofern der Tastsinn durch gegensätzliche molekulare Magnete ermöglicht wird (das Phänomen der „elektromagnetischen Abstoßung“), handelt es sich bei der Berührung in Wirklichkeit um einen Abstoßungsprozess. In einer Zeit, in der das Coronavirus unser Verständnis der Komplexität von Momenten des Kontakts in Frage stellt, unterstreichen die Arbeiten in Contact Tracing, dass Künstler*innen sich schon immer mit Phänomenen wie Konvergenz und Divergenz befasst haben, die unsere Beziehungen zu uns selbst, zur Welt und zu anderen prägen.

Contact Tracing beginnt mit White Dove (1975), einem frühen Video-Essay von Jack Goldstein, der die Frustration einer nicht zustande kommenden Berührung anhand des Bilds zweier Hände evoziert, die vergeblich versuchen, ein widerspenstiges Haustier zu ergreifen. Dieses Gefühl des nicht Greifbaren offenbart sich auch im suchenden Blick der Kamera in Mark Lewis’ Spadina: Reverse Dolly, Zoom, Nude (2009). Sans titre (4 feuilles de papier A4, table (180 x 100 cm)) (2006) hingegen, die Videodokumentation einer Aktion von Marie Cool Fabio Balducci, veranschaulicht die Zusammenführung von zwei leeren Blättern, die anschließend wieder getrennt werden.

La Cumbia (1999) von David Zink Yi folgt der Hand des Künstlers bei ihrer Erforschung des eigenen Körpers, während Su-Mei Tses L’écho (2003) eine Landschaft der sensoriellen Rückkopplung zeigt, in der eine Musikerin das von einer imposanten Bergkulisse zurückhallende Echo der von ihr gespielten Melodie begleitet. Ein durch ein Musikinstrument vermittelter Kontakt ist auch in Fire Cupping (2016) zu sehen, einem Animationsfilm von Agnieszka Polska, in dem Hand und Körper sorgfältig getrennt bleiben müssen, um Verbrennungen zu vermeiden. In Julika Rudelius Forever (2006) steht gleichermaßen die Körperoberfläche im Mittelpunkt der Betrachtung.

Die Hand ist auch in A Tocha Humana (2007) von João Maria Gusmão & Pedro Paiva präsent, wo sie eine Höhlenwand aufleuchten lässt, bevor das Licht durch eine unsichtbare Berührung ausgelöscht wird. Andere Arbeiten zeigen Körper bei der physischen Auslotung von Räumen: in La Casa (2005) von Pedro G. Romero durchmisst ein Flamencotänzer die Zimmer einer Sozialwohnung, während in A experiênca do lugar (2004) von Helena Almeida die Künstlerin einer Büßerin gleich durch ihr Atelier kriecht. In The Tigers Mind (2012) wiederum folgt Beatrice Gibson sechs Protagonisten, deren Bemühungen zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten von einer brutalistischen Villa eingegrenzt werden.

Unsere persönliche Raumerfahrung ist der Ausgangspunkt von Eva Kotátkovás A Visit Home (2009), einer Reihe von Übungen, in denen die Künstlerin vertraute Möbel in einer ihr fremden Umgebung anordnet und anhand von Erinnerungen Modelle von Häusern anfertigt, in denen sie einst gelebt hat. Die Idee eines haptischen Gedächtnisses liegt auch Valérie Mréjens Portraits filmés 2 (2003) zugrunde, einer Reihe von Videoporträts, in denen Freunde und Bekannte der Künstlerin vor laufender Kamera über Momente intensiver Interaktion sprechen.

Contact Tracing ist ein Online-Videoprogramm. Für eine optimale Darstellung der Videos schalten Sie bitte den Ton ein und wechseln Sie in den Vollbildmodus.

Anschauen

Jack Goldstein, "White Dove", 1975

Jack Goldstein (b. 1945, Montreal; d. 2003, San Bernardino)
White Dove, 1975
16 mm film, digitized, colour, silent
20 sec
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Acquisition 2001

David Zink Yi (b. 1973, Lima)
La Cumbia, 1999
Video, colour, sound
3 min 13 sec
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Acquisition 2009

Anschauen

Valérie Mréjen, "Portraits filmés 2", 2003

Valérie Mréjen (b. 1969, Paris)
Portraits Filmés 2, 2003
Video, colour, sound
10 min
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Acquisition 2005

Su-Mei Tse (b. 1973, Luxembourg)
L’écho, 2003
Video, colour, sound
5 min 30 sec
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Acquisition 2004

Helena Almeida (b. 1934, Lisbon; d. 2018, Sintra)
A Experiênca do Lugar II, 2004
Video, black and white, sound
12 min 47 sec
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Donation 2005 – Reginald Neuman Luxembourg

Pedro G. Romero (b. 1964, Aracena)
La Casa, 2005
Video, colour, sound, website
20 min 27 sec
Director and cinematographer: Aleix Gallardet
With the collaboration of Israel Galván
Presented with Archivo F.X.: www.fxysudoble.org
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Acquisition 2006

Marie Cool Fabio Balducci (b. 1961, Valenciennes / b. 1964, Ostra)
Sans titre (4 feuilles de papier A4, table (180 x 100 cm)), 2006
Action. Video: 2 min 11 sec, colour, silent
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Acquisition 2013

Julika Rudelius (b. 1968, Cologne)
Forever, 2006
Two-channel HD video, presented as single channel, colour, sound
16 min 51 sec
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Donation 2015 – Allen & Overy

João Maria Gusmão & Pedro Paiva (b. 1979, Lisbon / b. 1977, Lisbon)
A Tocha Humana, 2007
16mm film, digitized, colour, silent
2 min 23 sec
Produced at ZDB with the support of the Inhotim Cultural Centre, Minas Gerais, Brésil and Galeria Fortes Vilaça, São Paulo
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Acquisition 2008

Eva Kot’átková (b. 1982, Prague)
A Visit Home, 2009
Four chapters: Exercise n°1 – Hanging; Exercise n°2 – Mound; Exercise n°3 – Sitting, Standing, Lying; Exercise n°4 – Home Reconstruction
Video, colour, sound
32 min
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Acquisition 2011

Mark Lewis (b. 1958, Hamilton)
Spadina: Reverse Dolly, Zoom, Nude, 2009
Super 35 mm film, digitized, colour, silent
2 min 55 sec
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Acquisition 2006

Beatrice Gibson (b.1978, London)
The Tiger’s Mind, 2012
16mm film transferred to HD video, colour, sound
23 min 40 sec
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Donation 2013 – Baloise Group

Agnieszka Polska (b.1985, Lubin)
Fire Cupping, 2016
Video animation, colour, sound
5 min 36 sec
Collection Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean
Acquisition 2012